Trauer

Gedanken bei der Einweihung im Jahr 2000

Urs Rickenbacher

Die Skulptur des Bildhauers Stefan Mesmer zeigt uns eindrücklich etwas sehr Wesentliches über das Trauern.

In der Trauer werden wir herausgehoben aus dem Alltag. Vieles, was uns vorher wichtig war und allen andern immer noch so wichtig zu sein scheint, wird nebensächlich: das Auto, das Haus, ein Hobby. Aber auch die schöne Blume, die herrliche Bergwelt, das warme Sonnenlicht lassen einen seltsam unberührt. In der Trauer fühlen wir eine Distanz zu allem Irdischen. Wir sind einsam und im Abseits.

Der Künstler hat die traurige Gestalt auf den Block, der den Alltag symbolisiert, gesetzt. Sie sitzt nicht daneben, nein, sie steht in gewissem Sinn über dem Alltag mit all seiner Oberflächlichkeit. Das Kunstwerk öffnet sich gegen oben, zum freien Himmel hin.

Darum gehört ein Werk zum Thema Trauer unbedingt zum Weg der Hoffnung. Zum einen stellen wir uns in schwierigen Zeiten die tiefen Fragen nach Gott und danach, was unserem Leben Halt und Sinn gibt. Aber nicht nur wir öffnen uns zum Himmel hin; das Himmelreich dehnt sich auch zu uns aus. In Jesus Christus hat sich Gott mit allen Trauernden verbunden ("Selig sind die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden"); im Gekreuzigten kommt er den Leidenden unendlich nahe.

Vielleicht kann diese Skulptur dann und wann zu einem Ort werden, wo Traurige etwas von dieser Nähe Gottes erfahren. Sie können sich auf den Sockel setzen, der durch seine Länge andeutet, dass Phasen des Trauerns manchmal lange dauern. Die Wandernden können sich hier ausruhen. Sie fühlen sich von der einsamen, in sich gekehrten Gestalt verstanden. Sie schöpfen Kraft und können ihren Weg weitergehen. So wird der Spaziergang auf den Wartenberg zu einem Weg der Hoffnung.

 

Urs Rickenbacher 

Alle unterstrichene Texte sind "Weiterleitungs-Links"